02. Dez 2024

Sichtungen

Berlin. Eine Riesenstadt mit einer Unzahl an historischen, politischen, künstlerischen Anziehungspunkten. Nur einen kleinen Ausschnitt kann man in wenig mehr als 48 Stunden erlaufen, sichten, erleben.

Der Jahrgang 13 machte sich am Freitagmorgen auf den Weg in den Reichstag. Nach einem kurzen Innehalten am Mahnmal für die ermordeten Sinti und Roma Europas galt es, als erstes die Nasen in den Berliner politischen Wind, momentan eher: Sturm, zu halten. Mit erst einmal ernüchterndem Ergebnis. Statt einer Debatte im Bundestagsplenum beiwohnen zu können, gab es lediglich eine (allerdings kompetente und inhaltsreiche) Erklärstunde zu Parlament, Verfahrensweisen und politischen Strategien. Die Abgeordneten waren da schon wieder unterwegs in ihre Wahlkreise. Wäre nicht anschließend das äußerlich lockere, inhaltlich aber ernste Gespräch mit dem CDU-MdB Thomas Heilmann gewesen, hätte dem Ganzen der sichtbare Lebensfunke gefehlt. So aber brachten treffende Fragen der jungen Menschen zum Beispiel hervor, welch innerparteiliche Spagate es gibt, die den Parlamentariern einiges an Kompromissbereitschaft abverlangen.

Kompromissbereitschaft, die das DDR-Regime gegenüber abweichenden Meinungen nicht im Geringsten kannte. Dies brachte der Samstagmorgen ans graue Berliner Tageslicht: In der heutigen Gedenkstätte Hohenschönhausen hatte die Staatssicherheit einst streng geheim – und auf Weisung von ganz oben gegen die eigene Verfassung verstoßend – ein Untersuchungsgefängnis unterhalten. Hier wurden Abweichler*innen weißer Folter ausgesetzt: psychischem Druck ohne äußerlich erkennbare Gewalteinwirkung. Wem aus unserer Gruppe nicht durch den eisigen Novemberwind ohnehin schon kalt war, dem konnte hier innerliches Frieren drohen, angesichts der menschenverachtenden Methoden einer Staatsmacht gegenüber ihren Bürgerinnen und Bürgern und deren Sichtweisen.

Wie gut tat da im Anschluss der architektonische Freiheitsgedanke des Bauhaus-Vertreters Mies van der Rohes und dessen Resultat: die Neue Nationalgalerie und ihre Durchsichtigkeit unter nahezu freitragendem Dach. Ein Tempel der Kunst, in dessen großer Ausstellung moderner Kunst der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts einige An- und Absichten wahrzunehmen waren, ergänzt von einer Gerhard-Richter-Sonderschau.

Die meisten nahmen ihre Kräfte noch zusammen und waren bereit für ganz andere Einsichten. Eine Führung im Medizinhistorischen Museum der Charité zeigte einiges zum Wesen und Werden der modernen Medizin. Neben dem konservierten Blinddarmdurchbruch Friedrich Eberts zeigt die Sammlung die Entwicklung von Behandlungsmethoden und -möglichkeiten und eine Menge von Präparaten zu den verschiedensten Verletzungen und Krankheiten.

Den Schlusspunkt der kurzen Studienfahrt bildete am Sonntagmorgen der Besuch des Dokumentationszentrums Flucht, Vertreibung und Versöhnung. Auf der ersten Etage wird anhand von Grundphänomenen europäischer Migrationsgeschichte an teils sehr berührenden Objekten und Zeugnissen deutlich: Millionen von Menschen waren und sind auf der Flucht, wurden und werden vertrieben. Die zweite Etage ermöglicht die Sicht auf die für so viele Menschen in Europa grausam folgenreiche Eroberungspolitik des nationalsozialistischen Deutschlands und deren Abwehr durch die Alliierten: Millionen von Menschen waren auf der Flucht, wurden vertrieben. Ähnlich wie Hohenschönhausen gab auch dieser Programmpunkt einiges zum Nachdenken mit.

Einig waren sich die 13er und ihre Lehrenden: Außerschulisches Lernen hat seinen eigenen, nicht zu unterschätzenden Wert und sollte gepflegt und gestärkt werden. Hat doch die Berlinfahrt 2024 mit ihren Sichtungen eine ganze Menge Angebote gemacht, eigene Ansichten zu prüfen, zu entwickeln oder gestärkt zu sehen.

241115 01 Memorial Sinti Roma 1000

241115 03 Reichstagkuppel 1000241115 02 Gespraech Heilmann 1000
241116 01 Hohenschoenhausen Gang 1000
241116 05 Neue NatGalerie 1000241116 04 Neue NatGalerie Che fare 1000

241116 06 Charite 1000
241117 01 Doku Flucht Versoehnung 1000

 

Text und Photos: J. Schmücker / M. Schneider / G. Seebacher