Berufsausbildung

Lernen und Arbeiten

Die Schule bietet die Möglichkeit, während der Schulzeit eine staatlich anerkannte berufliche Ausbildung zu absolvieren.

Die Schülerinnen und Schüler, die nach der 9. Klasse diese Möglichkeit wählen, erwerben in einem der vier Ausbildungsberufe – Industriemechaniker/in Fachrichtung Produktionstechnik, Industrieelektriker/in für Betriebstechnik, Tischler/in, Schneider/in – einen Facharbeiter- bzw. Gesellenbrief.

Der wirtschaftliche und rechtliche Trägerverein der Werkstätten ist das Berufsbildende Gemeinschaftswerk.

 

Die Integration von allgemeinbildendem Unterricht, künstlerischer Tätigkeit und an der Arbeitswelt orientiertem Lernen in den Werkstätten (berufliche Bildung) in der Oberstufe der Freien Waldorfschule Kassel erfolgte Ende der 60er Jahre aus sozialen Motiven. Man wollte denjenigen Schülerinnen und Schülern, die einen praktischen Beruf anstrebten, die weitere Teilnahme an wesentlichen Elementen des allgemeinbildenden Unterrichts ermöglichen. Während immerhin 24 Wochenstunden in den Jahrgangsstufen 10 und 11 werden Schüler und Schülerinnen unterschiedlicher Begabung gemeinsam unterrichtet, bleiben also in das soziale Übungsfeld der Klassengemeinschaft integriert.

Die Erfahrungen, die in der jetzt mehr als 30 Jahre währenden Arbeit gemacht wurden, erweiterten die Motive des Konzepts. Es zeigte sich, dass die praktische Arbeit in der Lehrwerkstatt auch gerade diejenigen Schüler und Schülerinnen fördert, die von ihrer Begabung her mit Aussicht auf Erfolg ein Hochschulstudium anstreben. Praktische Arbeit schult nicht nur Gefühl und Wille - Konzentrationsfähigkeit, Ausdauer, Geduld, Durchhaltevermögen, Zeiteinteilung und Geschicklichkeit werden geübt -, sie wirkt auch auf den Bereich intellektueller Fähigkeiten zurück. Denn praktische Arbeit verlangt fortwährend sachbezogenes Denken. Intellektuelle Fehlleistung wird hier für die Schülerinnen und Schüler sehr viel schneller einsichtig als in den traditionellen Lernfächern der Schule.

Während der ersten beiden Ausbildungsjahre (10. und 11. Schuljahr) nehmen die betreffenden Schülerinnen und Schüler weiterhin am größten Teil des Unterrichts ihrer Klasse teil. An zwei Tagen der Woche werden sie nach dem Hauptunterricht von 10.00 bis 16.30 Uhr in der betreffenden Werkstatt praktisch ausgebildet. Der fachtheoretische Teil der Ausbildung (Berufsschulunterricht) findet in gesonderten Unterrichtsstunden statt.

Alle drei Werkstätten arbeiten als produzierende Wirtschaftsbetriebe. Ein wesentlicher Unterschied zu herkömmlichen Lehrwerkstätten besteht in dem hohen Anteil von Produktion in der Ausbildung. Sie wird genutzt, um die Schülerinnen und Schüler mit den realen Gegebenheiten der Industrie bekannt zu machen. Denn ein Kundenauftrag schafft für die Schüler eine größere Verbindlichkeit und ein engeres Verhältnis zur eigenen Arbeit als ein Lehrstück, das als »Edelschrott« weggeworfen wird.

elektrowerkstatt

Die Elektronwerkstatt bildet Industrieelektriker/innen für Betriebstechnik aus. Es gibt 33 Ausbildungsplätze.

In der Ausbildung werden Schaltschränke für die Steuerung von Industrieanlagen, Leistungsteile und Beleuchtungskörper für Bühnenanlagen, Sonderanfertigungen von Spezial-Messgeräten hergestellt und verkauft.
Zur Ausstattung gehören 24 Mess- und Arbeitsplätze, 8 SPS- und CAD-Computerplätze, ein Fotolabor und eine Lötstraße zur Platinenfertigung.

„Wenn ich jetzt am Ende des Studiums Bilanz ziehe, so zeigt sich, dass die Ausbildung eine ideale Ergänzung zum Studium ist, die ich nicht missen möchte.“
(Georg Baum, ehemaliger Schüler)

metallwerkstatt

In der Metallwerkstatt werden Ausbildungen für Industriemechaniker/innen Fachrichtung Produktionstechnik angeboten
Insgesamt gibt es 50 Ausbildungsplätze.

Die Metallwerkstatt bildet aus durch die Produktion von Dreh- und Frästeilen und von Blech- und Schweißkonstruktionen, sowie bei der Prototypfertigung und -montage. Besonders wichtig ist der hohe Edelstahlanteil in der Produktion, es werden aber auch Kunststoffe verarbeitet. Das Angebot gliedert sich in die Bereiche Maschinenbau und Stahlbau.
Ausstattung: CNC-Dreh- und -Fräsmaschinen. WIG-, MIG- und MAG-Schweißeinrichtungen, Maschinen zur Bearbeitung von Blechen bis 3 mm Dicke.

„Ich würde den gegangenen Weg auf jeden Fall erneut gehen.“
(Jochen Rohde, ehemaliger Schüler)

holzwerkstatt

In der Tischlerei werden auf 34 Ausbildungsplätzen Tischler/innen ausgebildet.
Zu den Produkten gehören Qualitätsmöbel, überwiegend in Vollholz und mit biologischen Oberflächen, Kindergarten- und Büroeinrichtungen, Küchen, Wohn-, Schlaf-, und Kinderzimmer, Treppen, Haustüren und Puppenmöbel.

Zur Ausstattung gehören Holzbearbeitungsmaschinen für Säge-, Hobel-, Fräs- und Schleifarbeiten, Spezialmaschinen zur Vollholzverarbeitung, ein elektronisch gesteuertes Bearbeitungszentrum, ein Spritzraum zur Herstellung lackierter oder geölter Oberflächen und eine Furnierabteilung.

„Es war gut, dass das Resultat der Arbeit immer sichtbar, überschaubar und klar zu bewerten war - deutlicher als in der Schule.“
(Lea Bauer, ehemalige Schülerin)

Schneiderei

In der Schneiderwerkstatt werden Maßschneider*innen ausgebildet. Der Abschluss nach 3 Jahren Ausbildungszeit ist die Gesellenprüfung vor der Handwerkskammer.

Die Auszubildenden fertigen in erste Linie Bekleidung für Damen und Kinder, aber auch Gebrauchstextilien unterschiedlichster Art.

Die Schneiderwerkstatt ist professionell ausgestattet mit 14 Industrienähmaschinen, Overlockmaschinen, einer Bügelanlage und diversen Spezialmaschinen. Auch Stickereien können mit einer 10-fädigen Maschine umgesetzt werden. Zudem bietet die Schneiderwerkstatt individuelle Produktentwicklung für Kunden an, erstelltSchnitte und Unterlagen zur Realisierung von Aufträgen in Einzel- oder Kleinserienfertigung.

„ ... man sieht, was man tut
... man fühlt sich fähig etwas zu schaffen und zu erschaffen
... man lernt etwas Komplettes, nicht nur ein Teil
... es fühlt sich sinnvoll an
... Realitätsbezug zum gelernten“
(Stimmen von unserem 2. Ausbildungsjahr)

Text und Fotos: S. Ruhnau, C. Fleige